Von der Brockenbahn begleitet auf die Langstrecke
Wer akribisch seine Ohren spitzte, der konnte sie entdecken, die Verbindung zwischen dem Ruhetag und dem ersten Wettkampftag auf der Langdistanz: Am Ruhetag nämlich waren etliche Teilnehmer mit der „Brockenbahn“ auf den mit 1141 Metern höchsten Berg Norddeutschlands, den Brocken, gefahren. Und auf ihrer Reise, da tutete und pfiff die Schmalspurbahn durch den Wind, weil sie das schon seit über 100 Jahren immer tut, wenn sie gen Gipfel schleicht. So war es nicht allzu verwunderlich, dass auch beim ersten Qualifikationslauf über die Langdistanz im Wettkampfgebiet „Drei Annen Hohne“ dieses charakteristische Pfeifen hin und wieder leise zu hören war.
Doch die meisten Läufer, die im Wald um Sekunden gekämpft haben, dürften die akustische Begleitung aufgrund ihres Tunnelblicks kaum wahrgenommen haben. Spätestens aber, wenn sie die idyllische Zielwiese erreicht hatten, ihre Kohlenhydratspeicher auffüllten und Fehler analysierten, da konnten die WMOC-Teilnehmer hin und wieder das Geräusch wahrnehmen: Tuuuut, tuuuuut – tuuuuut tuuuuut!
Im Wald, in dem viele Granitfelsen stehen, machten alle ihre eigenen Erfahrungen: „Die Felsen waren wunderschön, aber in den Grüns war es sehr schwierig. Da musste man genau aufpassen, wohin man seine Füße setzt“, verdeutlichte etwa der Franzose Philippe Page, dem die Anstrengung ins Gesicht geschrieben stand. Den ersten Qualifikationslauf nutzte der 49-Jährige vor allem, um sich „an Karte und Gelände zu gewöhnen“, erklärte er. Am Ruhetag sei er in Goslar unterwegs gewesen: „Eine ungemein schöne Stadt“, schwärmte Page.
Derweil hatte die Schwedin Brit Sundby einige Probleme auf ihrem Kurs: „Es war schwierig, weil vieles in dem Gebiet sich sehr ähnlich sieht“, verdeutlichte sie. Ihr Teamkamerad Hans-Georg Ronne, fügte hinzu: „Man musste wirklich sehr exakt mit dem Kompass arbeiten und war langsamer unterwegs als gewöhnlich.“ Insbesondere in Postennähe sei Vorsicht geboten gewesen, „weil man die Posten nicht aus der Entfernung sehen konnte“.
Ein paradox anmutendes Bild trug die Tschechin Petra Janovska auf dem Rücken: Eine mit Kompass und Karte ausgestattete Schildkröte zierte die Rückenfläche ihres Trikots – nicht gerade ein Tier, das für seine Schnelligkeit berüchtigt, oder? Im Wald ergab sich ferner unverhofft ein internationales Gespräch zwischen dem Presseteam und einer W60-Läuferin, die sich offenbar verlaufen hatte: „Wo sind wir?“, wollte sie in gebrochenem Deutsch wissen, um auf die diplomatische Antwort „Weiß ich leider nicht“ scheinbar allwissend zu kontern: „Klar weißt du das. Du darfst es bestimmt nur nicht sagen…“
Ansonsten gab es aber keine Probleme – das Gros der Teilnehmer scheint mehr als zufrieden mit der Veranstaltung: „Wir fühlen uns wohl hier wirklich sehr wohl“, unterstrich der Norweger Ronne. In Bezug auf die Organisation sei er besonders von der „deutschen Gründlichkeit“ begeistert. „Aber das war ja zu erwarten“, lacht er.
Als sich die letzten Teilnehmer dem Zielbanner nähern, pfeift die Brockenbahn noch immer durch die sonnige Idylle. Die Dampfbahn mit den rot-beigen Waggons ist eine ganz besondere. Nicht nur, weil sie die WMOC-Läufer im Wald akustisch begleitet hat. Sondern auch, weil ihr Zielbahnhof mit seinen 1125 Metern der höchste Dampfbahnhof Deutschlands ist.